Florianópolis benennt Mündungsgebiet nach Naturforscher Fritz Müller

Interview mit Vice-Prefeito Topázio Silveira Neto

Estuário Fritz Müller para Florianópolis

Entrevista com Topázio Silveira Neto, Vice-Prefeito de Florianópolis

Entrevista com Silveiro Neto (PDF)



Sie sind stellvertretender Oberbürgermeister der brasilianischen Stadt Florianópolis mit mehr als 500.000 Einwohnern. Die Stadt hat kürzlich eine Kommission zum 200. Geburtstag des deutsch-brasilianischen Naturforschers Fritz Müller gegründet, deren Vorsitzender Sie sind. Welche Bedeutung hat Fritz Müller für Florianópolis?

Nur wenige wissen, dass Fritz Müller etwas mehr als ein Jahrzehnt in Nossa Senhora do Desterro (heute Florianópolis) lebte und hier zwischen 1856 und 1867 sein wichtigstes Werk und sein einziges Buch "Für Darwin" geschrieben hat. Hier verfasste er auch 35 wissenschaftliche Artikel, die alle in Zeitschriften und Periodika in Deutschland und England veröffentlicht wurden, sowie seine einzige Lyrik (insgesamt 12 Gedichte), die sich mit der Natur Desterros beschäftigt.
Fritz Müller war ein Pionier bei der Überprüfung der Evolutionstheorie von Charles Darwin in der Natur und im Labor anhand von Meereskrebsen der Küste Santa Catarinas und trug damit wesentlich zur Konsolidierung dieser Theorie bei, die die Säule der Biologie darstellt. Darwin, mit dem er 17 Jahre lang korrespondierte, gab ihm den Ehrennamen "Fürst der Beobachter".
Florianópolis war sein Feld für wissenschaftliche Exkursionen, wo er die lebenden Objekte für seine Forschung einfing. In den ersten Monaten lebte er als Gast im Haus eines deutschen Freundes, um Portugiesisch zu lernen und sich auf die Lehrtätigkeit (Mathematik und Naturgeschichte) am neu gegründeten Lyzeum der Provinz Santa Catarina vorzubereiten. Er besuchte täglich die öffentliche Bibliothek, um die Zeitungen zu lesen, und lernte so auf außergewöhnliche Weise unsere Heimatsprache.
Während dieser Zeit blieb seine Familie in der Kolonie Blumenau, bis sie Ende 1856 nach Desterro kam und sich in Praia de Flora (heute Beira Mar Norte auf der Insel Santa Catarina) niederließ. Dort hatte Fritz täglich Kontakt mit dem Meer und seinen Lebewesen, was ihn an sein Studium in Deutschland an der Ostsee erinnerte.
Dies ist nur ein Teil der Geschichte, die erzählt werden muss und an die sich diejenigen erinnern müssen, die in Florianópolis leben und es besuchen, und der 200. Geburtstag von Fritz Müller ist die perfekte Gelegenheit, um an diesen Teil unserer Geschichte zu erinnern. Zu diesem Zweck haben wir die Fritz-Müller-Kommission zur 200-Jahr-Feier ins Leben gerufen, der ich gerne vorstehe und in der die Stadtverwaltung von Florianópolis, der Stadtrat und wichtige Kulturschaffende nicht nur aus Florianópolis, sondern auch aus Blumenau vertreten sind. Kürzlich trafen wir mit dem Bürgermeister Blumenaus, Mario Hildebrandt, zusammen, der uns sehr freundlich empfing und unsere Absicht bekräftigte, die Beziehungen zwischen unserer Stadt und Deutschland zu stärken.

Wir haben erfahren, dass die Stadt Florianópolis plant, ein nach Fritz Müller benanntes Mündungsgebiet zu markieren. Können Sie uns mehr dazu sagen?
Eine Flussmündung ist eine große Wiege des marinen Lebens, das sich dort mit einer Vielzahl von Meerestieren paart und fortpflanzt und Nahrung für andere Arten liefert, wodurch der Lebenszyklus fortgesetzt wird. In dieser Umgebung, die von der Praia de Fora (heute Beira Mar Norte) und den Grenzen des Mangrovensumpfes Itacorubi gebildet wird, begann und vollendete Fritz Müller seine Studien über die Evolution einiger Arten von Krebstieren, die in seinem wichtigsten Werk und seinem einzigen veröffentlichten Buch "Für Darwin" gipfelten.



Zum Gesetzessprojekt kann ich Ihnen berichten, dass es nach gründlicher Beratung im Stadtparlament verabschiedet wurde und am 24. November in Kraft getreten ist. Das bedeutet, dass das Mündungsgebiet künftig in der offiziellen Karte der Stadt, in allen offiziellen Karten des Munizips, Seekarten und anderen offiziellen Dokumenten erscheinen wird. Die Stadtverwaltung von Florianópolis wird für die Durchführung von Studien und Projekten zur Stadtmöblierung und zur natürlichen Umweltgestaltung des Gebiets um die Fritz-Müller-Mündung verantwortlich sein.
Das Gebiet wird begrenzt durch die Mündungen der Flüsse Itacorubi und Sertão, die zum Stadtpark gehören, die Ponta do Goulart, den Strand Saco Grande, die Ponta do Lessa, die Ponta do Recife, die Ponta do Coral, einen Teil der Nordbucht und den Außenstrand (Beira Mar North Beach) mit einer geschätzten Gesamtfläche von 32 km².
Welche anderen Aktivitäten sind in den kommenden Monaten in und um Florianópolis geplant?

Am 31. März 2022 wird der 200. Geburtstag unseres berühmten Wissenschaftlers gefeiert, und ich glaube, dass die historische Erschließung seines Aufenthalts in Desterro (Florianópolis) nicht nur eine wohlverdiente Hommage ist, sondern auch die Fritz-Müller-Mündung zu einem Anziehungspunkt für neue Forscher und Touristen machen kann. Außerdem planen wir kulturelle und gastronomische Aktivitäten, die mit seiner Geschichte und der deutschen Kultur zu tun haben. Zum Beispiel ein gastronomisches Festival mit Krustentieren, handwerklich gebrauten Bieren und deutschen Desserts - oder eine touristische Route, die die wissenschaftlichen Exkursionspfade markiert, die Fritz Müller beschritten hat. Außerdem wird ein Buch (A Biografia de Fritz Müller) des Geographen und Botanikers Marcelo Vieira Nascimento und seines Teams erscheinen, das seit Jahren über Fritz Müller recherchiert und bereits Hunderte von Informationen über ihn und seine Studien gesammelt hat - viele davon unveröffentlicht.



Im März 2022 wird es in der Stadtverwaltung von Florianópolis eine feierliche Sitzung geben, an der das Rathaus, das Carl-Hoepcke-Institut, das Historische Institut von Santa Catarina, die Akademie für Literatur von Santa Catarina, die Stadtverordnetenversammlung und die gesetzgebende Versammlung von Santa Catarina teilnehmen.
Außerdem werden wir ein Fritz-Müller-Arboretum beim Botanischen Garten von Florianópolis einrichten und einweihen. In diesem Areal werden Bäume des Atlantikwaldes gepflanzt, die Fritz Müller studiert hat.
Die Stadt Florianópolis und die städtische Kommission zum Gedenken an den 200. Geburtstag von Fritz Müller sind der Meinung, dass sein Geburtstag das ganze Jahr 2022 über gefeiert werden sollte, weshalb wir das kommende Jahr zum Fritz-Müller-Jahr für die Stadt Florianópolis erklärt haben.

Der Kommission für die Feierlichkeiten gehören auch internationale Partner an - darunter das Wirtschafts- und Wissenschaftszentrum Brasilien-Deutschland (WWZ-BD). Was erwarten Sie von der Zusammenarbeit mit dem WWZ-BD und anderen internationalen Partnern?

Wir hoffen, dass wir durch Fritz Müller die Beziehungen zwischen unseren Ländern stärken können. Wir haben insbesondere in Santa Catarina eine lebendige Präsenz der deutschen Kultur, und ich glaube, dass wir unsere Beziehungen auch auf Partnerschaften und die Entwicklung von Projekten in den Bereichen Technologie, Innovation und Bildung ausweiten können. Es ist ein Austausch, der ausgehend von dieser hochgeschätzten Persönlichkeit, gute Früchte für beide Länder hervorbringen kann.

Vielen Dank für das Interview.

Interview mit Prof. Dr. Alexander Starke

Direktor der Klinik für Klauentiere an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig und neuer Partner des WWZ-BD

 

 

 

 

 

Tierärzte aus Brasilien gehören seit Jahren zu den Stammgästen der Veterinärmedizinischen Fakultät der Uni Leipzig. Wie ist dieser enge Kontakt zustande gekommen?

Die erste Begegnung gab es 2002 in der Rinderklinik der Tierärztlichen Hochschule auf dem Welt-Buiatrikkongress der Tierärzte in Hannover. Nach dem Welt-Buiatrikkongress 2010 in Chile habe ich dann erstmals auch an den Veterinärmedizinischen Fakultäten in Curitiba, Paraná, in Brasilien Vorlesungen gehalten und Workshops durchgeführt. Seit 2012 empfangen wir regelmäßig brasilianische Tierärzte und Studierende an der Klinik für Klauentiere der Veterinärmedizinischen Fakultät. Die sind dann drei Monate oder länger bei uns in Leipzig. 2013 konnten wir auch den ersten Gastwissenschaftler aus Brasilien begrüßen. Inzwischen waren schon sieben brasilianische Professoren hier an der Fakultät. Ich nehme alle zwei Jahre am brasilianischen Rinderkongress teil. Die Beziehungen sind also schnell gewachsen und immer enger geworden.

Klingt ziemlich reibungslos. Keine Verständigungsschwierigkeiten – sprachlich oder auch fachlich?

Der Auftakt war relativ einfach, da die brasilianischen Kollegen, mit denen ich seit 2002 im Austausch stehe, alle in Deutschland promoviert hatten. Mit den Studierenden aus Brasilien und vor allem auch während meiner Aufenthalte in Brasilien fiel die Kommunikation anfangs schon etwas schwer. Auf der einen Seite fehlten die Portugiesisch-Kenntnisse, auf der anderen die deutschen Begriffe. Dann mussten wir uns mit Englisch behelfen. Die Versuche, die jeweils andere Sprache zu sprechen, sorgten öfter für Heiterkeit. Der gute Wille war jedenfalls immer da. Gestaunt haben die brasilianischen Gäste auch über manche Patienten unserer Klinik: Ein tretendes und spuckendes Lama, ein bissiges Alpaka oder ein Wagyu Bulle. Vor allem das Handling der Rinder unterscheidet sich deutlich zwischen Brasilien und Deutschland. So ist es dort häufig nicht ohne weiteres möglich, einen Wasserbüffelbullen eben mal in einen Klauenstand zu führen und auf die Seite zu legen oder eine endoskopische Zitzenchirurgie an einer Kuh vorzunehmen.

Gab es ein konkretes Ereignis, dass für ihre Zusammenarbeit mit Brasilien besonders wichtig war?

Im November 2016 war ich Mitglied einer Wissenschafts- und Wirtschaftsdelegation des Landes Sachsen, die mehrere Länder Südamerikas besucht hat. Geleitet wurde sie von Thomas Schmidt, dem Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft Sachsens. Während dieser Reise besuchten wir auch Südbrasilien. Bei den Gesprächen wurde mir klar, dass es nicht nur um Tiergesundheit und Lebensmittelsicherheit im engeren Sinne geht, sondern auch um Fragen zu Umweltdienstleistungen, Abwasserreinigung, Altlastensanierung, Boden- und Grundwasserschutz und Verwertung von Biomasse.

Also ein guter Markt für Mittelständler ...

Brasilien benötigt moderne Umwelttechnologie, technisches Know-how und spezielles Fachwissen. Das ist bei Mittelständlern in Sachsen durchaus vorhanden – auch zu den Themen Tiergesundheit und Tierwohl. In diesem Kontext können wir als Wissenschaftler und Veterinäre einen wichtigen Beitrag zu einer für beide Seiten vorteilhaften deutsch-brasilianischen Zusammenarbeit leisten.

In diesem Sinne ist auch Ihre Mitgliedschaft im WWZ-BD zu verstehen?

Genau. Ich verstehe das WWZ-BD als Netzwerk zur Förderung der Wirtschafts- und Wissenschaftsbeziehungen zwischen unseren beiden Ländern und bin überzeugt davon, dass wir mit Hilfe dieser Plattform noch viel bewegen können.

Interview: Wolfgang Wagner

Innovativer Mittelstand auf dem Weg nach Brasilien - WWZ-BD als kompetenter Partner 

Interview mit Christian Kutza, CEO des Technologieunternehmens FOC GmbH Berlin 

Sie sind seit dem vergangenen Jahr Mitglied des WWZ-BD und wurden auf der Mitgliederversammlung im September 2023 in den Vorstand gewählt. Welchen Bezug haben Sie zu Brasilien?

Das Unternehmen FOC – fibre optical components GmbH ist ein Hersteller von Komponenten für Glasfaserdatennetze. Die ersten Kontakte zu Brasilien hatten wir Mitte der 90er Jahre. Damals gab es eine sehr enge Zusammenarbeit mit einem Schweizer Unternehmen, das eine Niederlassung in Brasilien unterhielt. So haben wir den brasilianischen Markt, insbesondere für Daten- und Kommunikationsnetze, kennengelernt. Mittlerweile ist die Firma FOC dort auf eigenen Füssen unterwegs. Wir sind bei unseren Kontakten im brasilianischen Markt natürlich auch auf das WWZ gestoßen und der Meinung, dass das WWZ ein wirklich sehr vertrauenswürdiger und sehr kompetenter Partner ist, um den brasilianischen Markt für uns besser und sicherer zu erschließen. 

WWZ-Vizepräsident Hans-Dieter Beuthan (rechts) beglückwünscht Christian Kutza zur Wahl als neues Vorstandsmitglied des WWZ-BD 

 

Stellen Sie bitte ihr Unternehmen kurz vor.

Die Firma FOC als GmbH wurde im Mai 1993 gegründet. Wir sind ein mittelständisches Unternehmen, ein Familienunternehmen. Und wir sind ein technologiegetriebenes Unternehmen mit eigenen innovativen Entwicklungen, die führend auf dem Markt sind. Wir haben die Entwicklung, die Produktion und den Vertrieb hier in Berlin zentralisiert. Wir entwickeln die Produkte selbst, wir fertigen die Produkte selbst und bringen sie im direkten Vertrieb zu unseren Kunden. FOC hat zwischen 50 und 60 Mitarbeiter, die hier am Standort Berlin und in Vertriebsbüros Nordost und Südwest in Deutschland tätig sind. 

Christian Kutza erläutert das Boxensystem - ein Modulares Verteilersystem für Glasfasernetze mit sehr hoher Packungsdichte

 

Auf welchen Märkten liegt ihr Fokus?

Unser Heimatmarkt in Deutschland hat den größten Anteil am Umsatz. Um den Markt etwas genauer zu beschreiben: In den 90er und 2000er Jahren waren wir in den Telekommunikationsnetzen – sowohl bei der Telekom als auch bei den anderen Anbietern – sehr aktiv. Mittlerweile haben wir unser Schwergewicht auf die heute als kritische Infrastruktur bezeichneten Netze gelegt. Die Anforderungen speziell in diesen Netzbereichen sind teilweise wesentlich höher als im Telekommunikationsbereich. Dort glauben wir einfach mit unserem Motor – der Innovation – am besten aufgehoben zu sein. 

Die Erschließung neuer Märkte ist stets eine Herausforderung. Welche Erfahrungen hat FOC dabei gemacht?

Wir haben bei der Markterschließung für unsere Projekte schon an einigen Orten Erfahrungen gesammelt - wir haben zum Beispiel Projekte in Südafrika mitentwickelt und beliefert, wir haben Projekte im Mittleren Osten, in den Emiraten, realisiert. Die Grunderfahrung für uns als mittelständisches Unternehmen mit einem sehr innovativem Projekt ist, dass der potenzielle oder der dann gewonnene Kunde einfach eine direkte technische Betreuung erwartet. Als Mittelständler müssen wir feststellen, dass der Kontakt und der Aufbau eines Vor-Ort-Partners, der in der Installation und der Betreuung des Systems gut geschult ist, eine Schlüsselkomponente ist. 

Maschinelle Politur von Hochleistungsverbindern für Glasfasernetze

 

Wie war es im Falle Brasiliens?

Die Erfahrungen aus den Projekten in Südafrika und auch in den Emiraten haben wir natürlich mit nach Brasilien genommen. Uns scheint einfach der brasilianische Markt von seinen technischen Anforderungen, von den Mentalitäten und auch von den Möglichkeiten, die wir als Mittelständler haben, der geeignetste zu sein, um uns mit einem vertretbaren wirtschaftlichen Risiko und mit einer Ankopplung an die technische Entwicklungsgeschwindigkeit vor Ort zu etablieren und Projekte zu akquirieren. 

Am 21. November 2023 eröffnete die FOC GmbH eine Niederlassung in Brasiliens Wirtschaftsmetropole São Paulo

 

Sie sind seit kurzem auch Vorstandsmitglied des WWZ-BD. Wo sehen Sie die Rolle des WWZ als Brückenbauer zwischen beiden Ländern – gerade für mittelständische Firmen wie das FOC?

 Das WWZ ist aus meiner Sicht ein Verein, der nicht nur über eine allgemeine interkulturelle Kompetenz, sondern auch über einen riesigen Erfahrungsschatz und ein enormes Know-how über die Situation in Brasilien und natürlich auch in Deutschland verfügt. Diese Situation hat sich in den letzten 20, 25 Jahren sehr stark verändert – teilweise weiterentwickelt, teilweise gab es Phasen, die wirtschaftlich und kulturell, auch politisch, eher schwierig waren. Wir als mittelständisches Unternehmen sind der festen Überzeugung, dass das WWZ zum einen persönlicher Ansprechpartner für uns ist, und zum zweiten über die Kontakte verfügt, die für ein mittelständisches Unternehmen, das in Deutschland möglicherweise zu den „hidden champions“ gehört, eine Resonanzfläche schaffen. 

Was meinen Sie damit konkret?

Man kommt irgendwohin, keiner kennt einen so richtig, man präsentiert tolle technologische Leistungen, aber fragt sich, wie es danach weitergehen soll. Dort Vertrauen auf der Seite der potenziellen Kunden aufzubauen, Informationen zu bekommen, wie geht man kulturell im Business miteinander um, das sind alles Dinge, die für uns als mittelständisches Unternehmen extrem wichtig, die unverzichtbar sind, wenn man sich auf Auslandsmärkten engagiert. Wir empfinden, dass man beim WWZ über langjährig erfahrene Ansprechpartner verfügt und dass es eben nicht nur darauf ankommt, bestimmte Kampagnen aufzusetzen, sondern dass letztendlich auch in der personellen Struktur Nachhaltigkeit gegeben ist. 

Vor welchen Herausforderungen steht ihr Unternehmen im Moment?

Ich möchte gar nicht so sehr auf die wirtschaftliche Lage im Allgemeinen eingehen. Für das Unternehmen FOC kommt es immer darauf an, unter den jeweiligen wirtschaftlichen Bedingungen, sowohl was Produkte als auch die Finanzstruktur betrifft, vollkommen unabhängig zu bleiben. Und letztendlich auch einen technischen Beitrag zum Marktsegment zu leisten, der uns – auch aus dem eigenen Gefühl heraus – eine Daseinsberechtigung gibt. Das über viele Jahre hinweg zu entwickeln, ist schon eine große Herausforderung. 

Und für Sie persönlich?

Die aktuelle, große Herausforderung liegt in der Unternehmensstruktur. Ich leite das Unternehmen seit 30 Jahren. Das bedeutet, dass auch ich jetzt in eine Lebensphase gekommen bin, wo man über die Zukunft des Unternehmens nachdenkt. Dort sind die Entscheidungen ganz klar gefallen. Das Unternehmen FOC wird weiterhin Familienunternehmen bleiben. Wir befinden uns gerade in der Phase der Übergabe des Unternehmens an jüngere Familienmitglieder. Für mich bedeutet das, dass ich mich zukünftig vielleicht auch etwas meinen vernachlässigten Hobbys kann. Andererseits bedeutet das aber auch – und das sage ich nicht nur, weil wir über das WWZ reden –, dass ich mehr persönliche Ressourcen habe, um das Geschäft in Brasilien und von dort aus vielleicht auch für das gesamte Lateinamerika weiterzuentwickeln.

 Vielen Dank für das Gespräch.

Interview mit Manuel Steidle

Direktor für Mechantronics der Referenzzentren für innovative Technologien (CERTI) von Santa Catarina

Manuel Steidle

 

1. Was verbirgt sich hinter der Abkürzung CERTI?

Centros de Referência em Tecnologias Inovadoras – zu Deutsch: Referenzzentren für innovative Technologien. Das CERTI ist eine private, unabhängige Non-profit- Organisation. Es hat sich seit 1984 in Brasilien und im Ausland einen exzellenten Ruf für seine Arbeit in der angewandten Forschung, in Produktentwicklung, innovativen Prozessen, Entrepreneurship und technologischen Dienstleistungen erworben.

2. Welche Ziele verfolgten Ihre kürzlichen Reisen nach Berlin und Brüssel?

In Brüssel hat CERTI am 8. und 9. März unser Ministerium für Wissenschaft, Innovation und Telekommunikation (MCTIC) bei der Tagung Photonics21 technisch unterstützt. Dort wurden die Ergebnisse von Horizon 2020 und die Planung vom neuen FP09-Programm der EU geführt. Brasilien wird sich an diesem Programm mit den Themen Medizintechnik und Smart Cities beteiligen.

In Berlin haben wir unsere Kooperation zwischen Santa Catarina und Berlin im Bereich Photonics besprochen. Dort unterstützt Santa Catarina fünf Business Pläne von Unternehmen aus Santa Catarina. Weitere Schritte befassen sich mit der Planung von einer gemeinsamen Ausschreibung für die Finanzierung der Entwicklung von Produkten und Lösungen im Bereich Photonics, die gemeinsame Innovationen von deutsch-brasilianischen Vorhaben erlauben.

3. Wie schätzen Sie den aktuellen Stand der Zusammenarbeit zwischen FAPESC, CERTI und Berlin Partner ein?

Die Zusammenarbeit hat schon 200 Kontakte, 20 Geschäftsanbahnungen, elf Anträge für Finanzierung und fünf finanzielle Unterstützungen auf Seite von Santa Catarina ermöglicht. Dies ist eine wichtige Leistung von Berlin Partner, FAPESC und CERTI. Weitere Partner aus dem Programm http://www.optik-bb.de/de/phoenix wie Fraunhofer IPK und OpTechBB sind auch Teil dieser Arbeitsgruppe, deren Ziel es ist, den Cluster Photonics Berlin mit Santa Catarina zu verbinden. Mehr Informationen dazu gibt es auf http://certi.org.br/scb/en/

4. Welche Perspektiven sehen Sie für die Zusammenarbeit mit dem WWZ-BD?

Wir sehen, dass das WWZ-BD eine wichtige Rolle bei der Kooperation mit Santa Catarina hat und möchten gemeinsam an Geschäftsmodellen für hochwertige Lösungen arbeiten. Erfolgreiche Projekte des WWZ-BD wie in den Bereichen Energie und Biogas in Santa Catarina können auch im Bereich Photonics erreicht werden. Die Unterstützung des Markteintritts mittelständischer Berliner Unternehmen in Brasilien ist ein Beispiel für die Aktivitäten, die bereits laufen und die wir noch erweitern können. Die Stärke Berlins im Bereich Photonics und die vielfältigen Anwendungen, die sich in Brasilien anbahnen, brauchen wirtschaftliche und wissenschaftliche Kompetenzen.

Die Erfahrungen des WWZ-BD im Bereich Business und rechtliche Beratung für Auslandsgeschäfte sowie die Fähigkeit, diese mit wissenschaftlichen und Förderprogrammen zu verbinden, sind einzigartig und sehr wichtig für den Ausbau der Kooperation zwischen Berlin und Santa Catarina.

Interview mit Dr. Michael Illig,
Direktor der ME-LE Akademie

Dr. Michael Illig

Als Direktor der ME-LE Akademie pendeln Sie derzeit regelmäßig zwischen Torgelow in Mecklenburg-Vorpommern und Uberlândia im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais. Hat das mit dem steigenden Interesse Brasiliens am Thema Biogas zu tun?

Eindeutig ja. Brasilien gewinnt seinen Strom hauptsächlich durch Wasserkraft. Sehr oft reichen jedoch die Wasserreserven nicht aus, so dass es zu Engpässen in der Stromversorgung von Industrie und Haushalten kommt. Die Alternative ist Biostrom. Inputstoffe sind reichlich vorhanden. Die Viehbestände sind riesig, Substrate wie Schweinegülle und hervorragend geeignet. Die wenigen vorhandenen Anlagen sind allerdings oft technisch nicht in der Lage, Strom zu erzeugen. Biogas geht nur theoretisch und praktisch. Deshalb unser Ausbildungsprojekt mit 1.030 Stunden Vorlesung, Seminaren und Online-Studium in Brasilien vor Ort!

Wie ist dieses Ausbildungsprojekt entstanden? Wer sind dabei die wichtigsten Partner?

Die Projektidee ist eine gemeinsame Initiative von ME-LE Biogas und Wirtschafts- und WissenschaftsZentrum Brasilien-Deutschland. 2017 wurde das Projekt durch die DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft bewilligt. In Brasilien sind unsere Partner der Nationale Dienst für die Industrieausbildung SENAI und das Bildungsministerium in Brasília.

Das Projekt ist offiziell im Juni vergangenen Jahres gestartet. Doch der 30. Januar 2018 war für den Kurs und auch für Sie persönlich ein ganz spezielles Datum …

Für mich als Direktor der ME-LE Akademie und als Naturwissenschaftler des Faches Biochemie war dieser Tag ein persönlicher Höhepunkt. Auf einem Fachsymposium zum Thema „Biogas und regionale Entwicklung“ des Industrieverbandes von Minas Gerais erhielt ich eine Gastprofessur des Bundesinstituts für Bildung, Wissenschaft und Technologie (IFTM) Uberlândia. Meine Kursteilnehmer waren dabei - 27 Professorinnen und Professoren von 15 verschiedenen Universitäten – und etwa 120 Gäste aus Politik, Wirtschaft sowie von Bildungseinrichtungen. Ich habe mich sehr gefreut, dass auch meine Frau bei diesem Ereignis anwesend sein konnte.

An den Kursen der ME-LE Akademie haben bereits Hunderte Fachleute aus Deutschland und dem Ausland teilgenommen – darunter aus China, Vietnam und der Türkei. Was ist das nun Besondere an der Zusammenarbeit mit den brasilianischen Kursteilnehmern?

Die Kursteilnehmer sind hochmotiviert und fordern mich sehr - sieben Stunden Vorlesung und Seminar täglich. Neben ihrer tollen Motivation schätze ich vor allem ihre hohe menschliche Qualität. Uns verbindet nicht nur die gemeinsame Arbeit, auch die Freizeit wird gemeinsam gestaltet. Alles in allem also ein „Eldorado“ für jeden Lehrer!

Wie ist der Abschluss des Kurses im Oktober 2018 geplant?

Das 8. Modul wird ein Kurzpraktikum in einer neu gestalteten Biogasanlage im Bundesstaat Paraná sein – einem deutsch-brasilianischen Bauprojekt. Darüber hinaus gibt es noch eine Abschlussveranstaltung im Bildungsministerium in Brasilia. Hier erhalten die Teilnehmer ihr Abschlusszertifikat.

Vielen Dank für das Interview!

WWZ-Interview mit José Eudes de Freitas

José Eudes de Freitas, Vizepräsident des brasilianischen Verbandes der Energieunternehmen SINERGIAVizepräsident des brasilianischen Verbandes der Energieunternehmen SINERGIA

Was war das Hauptziel Ihrer Reise nach Deutschland?

Hauptziel der Reise war es, das System der Produktion von Elektroenergie in Deutschland kennenzulernen – vor allem den Bereich der sauberen und regenerativen Energien. Wir können auf diesen Gebieten von Deutschland eine Menge lernen. Deshalb waren die Gespräche auch so wichtig. Wir halten es für sinnvoll, zu diesem Thema einen beständigen Informations- und Erfahrungsaustauschs zwischen Brasilianern und Deutschen zu etablieren. Mit Rio de Janeiro könnten wir beginnen.

Wie war die Atmosphäre bei den Treffen in Berlin?

Sehr positiv. Wir wurden sehr freundlich empfangen. Die Gespräche verliefen in einer offenen und respektvollen Atmosphäre. Es gab eine große Bereitschaft, Antworten zu geben und Fragen zu stellen. Wir wollen in Rio de Janeiro etwas schaffen, das es uns erlaubt, eine Delegation aus Deutschland zu uns einzuladen. Dazu werden wir einen Workshop organisieren. Als Partner sehe ich neben SINERGIA auch den Industrieverband FIRJAN.

Welche Eindrücke nehmen Sie noch mit?

Wir haben hier vorgefunden, was wir erwartet hatten: Ein anspruchsvolles Programm und einen freundlichen Empfang. Die AHK Rio hat die Reise sehr gut vorbereitet. Dafür danken wir insbesondere Marina Yzú und Philipp Hahn. In Berlin hat das WWZ-BD mit Hans-Dieter Beuthan und Wolfgang Wagner einen guten Job gemacht. Wir hatten das Gefühl, das es für sie eine Herzenssache war.

WWZ-Interview mit Dr. Stefan Rudolph

Staatssekretär Dr. Stefan RudolphDr. Stefan Rudolph, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommerns

Herr Staatssekretär, wie würden Sie die Ergebnisse Ihrer Reise in die brasilianischen Bundesstaaten Minas Gerais und Santa Catarina zusammenfassen?

Wir haben während unserer Reise großes Interesse gespürt, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Unternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern und Brasilien zu vertiefen. So konnten wir im Bundesstaat Minas Gerais mit Vertretern der Landesregierung und der Wirtschaft eine gemeinsame Absichtserklärung zur Intensivierung gemeinsamer Projekte unterzeichnen. Darüber hinaus wurden konkrete Projekte für rund zehn Millionen Euro gezeichnet, an denen die Wirtschaft aus Mecklenburg-Vorpommern beteiligt ist. Weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit wollen wir auf einem „Wirtschaftstag Minas Gerais“ Anfang 2018 in Mecklenburg-Vorpommern ausloten. Ganz generell haben wir festgestellt, dass beide Seiten in vielen Bereichen an denselben Themen arbeiten – zum Beispiel bei den Erneuerbaren Energien und bei der Abfall-Logistik.

Mecklenburg-Vorpommern verfügt über ein umfangreiches Know-how bei der Nutzung Erneuerbarer Energien. Welches Interesse hat Brasilien daran?

In Brasilien steigt aufgrund zunehmender Strompreise bei den Unternehmen die Nachfrage nach einer eigenen Energieerzeugung. Wichtig sind insbesondere Wärmebereitstellung und die grundlastfähige Stromerzeugung. Gerade auf diesen Gebieten verfügt Mecklenburg-Vorpommern über eine hohe Kompetenz. So werden bei uns derzeit Biomasseheizkraftwerke mit 58 Megawatt elektrischer und 260 Megawatt thermischer Leistung betrieben. Diese Anlagen sparen rund 280.000 Tonnen Erdgas und Öl und reduzieren den Ausstoß von Kohlendioxid um rund 770.000 Tonnen pro Jahr. Das heimische Know-how soll künftig noch umfangreicher in Brasilien eingesetzt werden – wertschöpfend und umweltschützend.

Zur offiziellen Delegation aus Mecklenburg-Vorpommern gehörten auch zwei Vertreter des WWZ-BD. Wie schätzen Sie die Zusammenarbeit mit dem in Berlin ansässigen Verein ein?

Wir unterhalten schon seit vielen Jahren enge Kontakte zum Wirtschafts- und WissenschaftsZentrum Brasilien-Deutschland. Gemeinsam mit dem WWZ-BD haben wir zum Beispiel Unternehmerreisen nach Brasilien und Besuche brasilianischer Gäste in Mecklenburg-Vorpommern organisiert. So waren zum Beispiel im Oktober vergangenen Jahres brasilianische Gasexperten bei uns zu Gast und haben verschiedene Anlagen zur Abfallverwertung und Biogasanlagen besichtigt. Wie wir erfahren haben, sind Ergebnisse dieser Reise bereits in die brasilianischen Zertifizierungsverfahren für Biogas eingeflossen. Für unsere Brasilien-Kontakte bleibt das WWZ-BD auch in Zukunft ein wichtiger Partner.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage. Was hat Sie während Ihrer Brasilienreise am meisten überrascht und berührt?

Die Anerkennung Deutschlands in Brasilien ist allenthalben zu spüren. Das ist eine wohltuende Erfahrung. Und der Stolz der Brasilianer auf ihr Land ist groß. Da können andere noch viel lernen.

Interview mit Hans Prayon,

Vorsitzender des Aufsichtsrates der ECO CONCEITOS group S.A. (Brasilien)

Sie waren viele Jahre Aufsichtsratsvorsitzender der Companhia Hering, einem der größten Textilunternehmen Lateinamerikas. Jetzt, mit 82 Jahren, leiten Sie den Aufsichtsrat eines jungen Unternehmens der Umweltbranche. Warum engagieren Sie sich bei ECO CONCEITOS?

Ich finde es peinlich, dass Santa Catarina im brasilianischen Umweltranking den letzten Platz einnimmt. Das hat vor allem mit den vielen Millionen Schweinen zu tun, die im Westen Santa Catarinas gezüchtet, geschlachtet und dann exportiert werden. In der Nähe der Anlagen kann man es vor Gestank kaum aushalten. Aber schlimmer noch ist, dass die Gülle nicht nur auf den Feldern ausgebracht, sondern unbehandelt in Flüsse wie den Rio do Peixe geleitet wird. Auf der anderen Seite gibt es in Santa Catarina Firmen, die nach hohen Umweltstandards arbeiten. Wie das Unternehmen Hering, für das ich Jahrzehnte tätig war. Hering stellt Textilien für das In- und für das Ausland her, darunter auch für die USA und für Deutschland. Und diese Abnehmer haben von uns eine umweltfreundliche Produktion verlangt. Deshalb hat Hering zum Beispiel als erstes Unternehmen in Blumenau eine hochmoderne Kläranlage für die Färbereiabwässer gebaut. Diesem Beispiel sind dann alle großen Textilfabriken der Region gefolgt.

Also krasse Gegensätze in unmittelbarer Nachbarschaft …

Genau dieser Gegensatz hat mich geärgert. Auf der einen Seite Umweltschutz auf hohem Niveau und auf der anderen Vernachlässigung einfachster Normen. Das war der Impuls für die Gründung von Eco Conceitos. Uns ist klar, dass zur Lösung der Umweltprobleme Rieseninvestitionen nötig sind. Aber jede lange Reise fängt mit dem ersten Schritt an. Und den haben wir mit der Pilotanlage in Pomerode getan.

Hans Prayon vor der Biogasanlage in Pomerode

Sie haben es eben erwähnt: Am 8. September 2014 nahm in der Kleinstadt Pomerode eine moderne Biogasanlage ihren Betrieb auf, die erste ihrer Art in Brasilien. Für Konzept und Bau zeichnete Ihr Unternehmen wesentlich mitverantwortlich. Woran haben Sie am Tag des offiziellen Starts gedacht?

An diesem Tag ist für mich ein Traum in Erfüllung gegangen. Wir haben begonnen, ein Negativum umzudrehen und ein riesiges Problem des Bundesstaates anzugehen. Umweltprobleme gibt es auch in anderen Bundesstaaten. Es wäre phantastisch, wenn unser Projekt über Santa Catarina hinaus Anstöße geben würde. Das Interesse an der Biogasanlage in Pomerode ist jetzt schon riesig.

Sie haben mehr als 50 Jahre lang die deutsch-brasilianischen Wirtschaftsbeziehungen mitgestaltet. 2007 wurde Sie als Deutsch-Brasilianische Persönlichkeit des Jahres geehrt. Wie schätzen Sie die Zusammenarbeit mit den deutschen Partnern von ECO CONCEITOS ein?

Es ist ein großes Glück, dass wir mit deutschen Partnern zusammenarbeiten können. Deutschland ist auf dem Gebiet der Erneuerbaren Energien und bei den Umweltschutztechnologien führend in der Welt. Dort wird Umweltschutz nicht nur als schönes Ziel verstanden, sondern konkret in die Tat umgesetzt. In Santa Catarina und insbesondere in Blumenau haben wir seit langem intensive und gute Erfahrungen mit deutschen Partnern. Es gibt viele enge, persönliche Beziehungen. Natürlich hilft es, dass es bei Kontakten zwischen Deutschen und Brasilianern mit deutschen Wurzeln keine Sprachbarriere gibt.

Sind weitere Projekte in Arbeit?

Jetzt müssen erst einmal die laufenden abgeschlossen werden. So arbeiten wir daran, dass das in Pomerode gewonnene Erdgas ins Netz eingespeist wird. Im kommenden Jahr soll hier auch Strom produziert werden. Die Vermarktung des bei der Biogasproduktion anfallenden organischen Düngers muss organisiert werden. Dieser Dünger ist übrigens von hervorragender Qualität, und außerdem nahezu geruchlos. Natürlich gibt es über die erste Anlage hinaus weitere Projekte. Sie betreffen zum Beispiel die umweltgerechte Abfallentsorgung für ein großes Einzugsgebiet in Santa Catarina.

In Deutschland ist am 1. August das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2014 in Kraft getreten. Die Rahmenbedingungen für Biogasanlagen sind dadurch eher schwieriger geworden. Wie sieht das in Brasilien aus? Welche Marktchancen haben hier Umwelt- und Biogastechnologien?

Die Voraussetzungen sind gut: Wir haben natürliche Ressourcen wie Wind, Sonne und Biomasse. Die können wir zur Produktion von Strom, Dünger und Gas nutzen. Ein Programm zur Förderung der Photovoltaik wie in Deutschland, so etwas  schwebt mir auch für Brasilien vor. Darüber hinaus zählt eine nachhaltige und umweltschonende Abfallwirtschaft zu den größten Herausforderungen unseres Landes. Es ist mein Traum, dass Brasilien mit Hilfe der modernen Technologien wieder zurück zur Natur findet.

Wie steht die brasilianische Politik dazu?

Die brasilianischen Umweltgesetze sind durchaus progressiv. Auch die Genehmigungsverfahren sind ähnlich wie in Deutschland. Zugegeben, die Freigaben könnten manchmal etwas schneller erfolgen. Doch die meisten Probleme gibt es in den Kommunen. Hier fehlen Konzepte und Know-how für die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben. Viele Bürgermeister suchen händeringend nach Lösungen, zum Beispiel für ihre offenen Mülldeponien. Hier setzen wir mit Eco Conceitos an und zeigen am konkreten Beispiel, wie es funktionieren kann. Dabei geht es uns nicht nur um das Aufzeigen technischer Lösungen. In Pomerode und Blumenau sollen künftig auch Fachkräfte für solche Anlagen ausgebildet werden.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Sie stecken mit 82 Jahren noch immer mitten im Arbeitsleben. Wann und wie laden Sie Ihre „Akkus“ auf?

Ich lebe gesund und treibe vier Mal in der Woche Sport. Das Wichtigste aber ist, dass ich weiterhin sehr gern arbeite. Ich übe insgesamt sechs Ehrenämter aus. Mein Arbeitstag beginnt bei Hering. Dort habe ich immer noch ein Büro. Nach meinem Ausscheiden als Aufsichtsratsvorsitzender arbeite ich dort als Vorsitzender des Familienrates des Unternehmens. Am Nachmittag bin ich dann im zweitgrößten Hospital Blumenaus. Hier habe ich die Aufgabe des Aufsichtsratsvorsitzenden übernommen. Kann sein, dass es auch einen genetischen Aspekt gibt (lacht), denn meine Mutter ist 103 Jahre alt geworden …

Herr Prayon, vielen Dank für das Gespräch.

(Das Interview führte Wolfgang Wagner / WWZ-BD)